The Concept of the Campaign

Die Begründung/Konzeption der Kampagne


Der in diesem Jahr veröffentlichte Abschlussbericht des Verfassungsschutzes macht eins deutlich: Der Höchststand an Rechts- und Linksextremismus, die Gefahr durch Islamisten sowie der Anstieg an rassistischen Übergriffen und des Antisemitismus können nicht mehr einzeln betrachtet werden.

Durch den politischen Klimawandel in Deutschland und dem Erstarken des Nationalismus in Europa, sehen wir uns mit Begebenheiten konfrontiert, die nur kontextuell begriffen und nur durch multiperspekivische Auseinandersetzungen angegangen werden können. Einzelne Projekte und Initiativen können daher nicht nachhaltig genug diesen Bedarfen gerecht werden. Sie müssen früher ansetzten und global verstanden werden!

Das vorliegende Theatergroßprojekt bzw. diese Kampagne zeichnet sich durch eine langfristige Planung aus, die auf zwei erfolgreich abgeschlossene Projekte aufbaut, welche im Vorfeld in Israel mit Wilhelmsburger Jugendlichen realisiert werden konnten. Die Projekte wurden bisher mehrfach ausgezeichnet und haben die TeilnehmerInnen zu Multiplikatoren gemacht, die ihr gesellschaftliches Umfeld mehr als geprägt haben und weiterhin aktiv sein lassen:


Warum müssen Wilhelmsburger SchülerInnen eine Antisemitismus Kampagne starten?


Aus der Perspektive der Stadt Hamburg, der Kultur- und Jugendeinrichtungen sowie der Schulen


Weil der Bedarf einer solchen multiperspektivischen Auseinandersetzung von Tag zu Tag größer wird! Denn auf der einen Seite haben wir das wiederkehrende Gedankengut des Nationalismus und des Rechtspopulismus in Europa, auf der anderen Seite sehen wir uns, nach der militärischen Schwächung des IS in Syrien, wieder mit der Erstarkung der Ideologie der Hizbul Tahrir (HUT) konfrontiert (wie auch damals nach der Schwächung der Taliban in Afghanistan). Diese sind in Deutschland und nun besonders auch in Hamburg am Beispiel der Initiative „Realität Islam" und der Furkan-Gemeinschaft auszumachen. Nicht umsonst bemühen sich in Hamburg die BASFI, der Verfassungsschutz, Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen und andere Institutionen aus der Präventionsarbeit um nachhaltige Maßnahmen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Und der Terroranschlag von Halle und die Schieflage in der darauffolgenden Aufarbeitung in der Politik und den Medien verdeutlichen uns, dass dieser Handlungsbedarf nun noch eindringlicher ist!


Themen, Bedarfe und Problemlage


Angesichts einer mittlerweile wieder salonfähigen faschistischen Sprache in Deutschland und den surreal anmutenden Bildercollagen aus Vergangenheit und Gegenwart, die wir unter anderem seit Chemnitz mit ansehen müssen, stellt sich immer mehr die Frage, ob wir aus unserer dunklen Geschichte eine Lehre gezogen haben!? - Der Terroranschlag von Halle und vor allem die Aufarbeitung in der Politik und Gesellschaft lassen uns daran zweifeln.

 

Mit den verschiedenen Projekten der Kampagne „Why should I care about your history?"/ Was geht mich eure Geschichte an?" soll jenen Fragestellungen nachgegangen werden, um einerseits gesellschaftliche Phänomene der Ausgrenzung, Segregation und Radikalisierung zu verstehen und andererseits aus der Geschichte zu lernen, um in der Gegenwart und Zukunft gegen jegliche Formen von Ausgrenzungsmechanismen vorzugehen.

 

Die Themen Deutschsein, Identität und Heimat werfen nämlich immer wieder ganz eindringliche Fragen hinsichtlich der Zugehörigkeit unserer Jugendlichen in Wilhelmsburg auf. „Fragen“, die am Beispiel von Mesut Özil und der #MeTwo-Debatte umso eindringlicher eine deutschlandweite Diskrepanz in der Wahrnehmung und Erfahrung von Identität und Akzeptanz von Deutschen mit Migrationshintergrund verdeutlichen. 

Einen weiteren nicht zu unterschätzenden Faktor bildet hierbei die Wahrnehmung und die Debatte um die Zugehörigkeit des Islams in und zu Deutschland. Eine Debatte, die nämlich im Rahmen von Antisemitismus-Vorwürfen gegenüber Muslimen bzw. Geflüchteten erneut thematisiert und durch radikale Gruppierungen instrumentalisiert wird. 


Aus der Perspektive der Jugendeinrichtungen und Schulen


An unserer Schule spielt die Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung von antimuslimischem Rassismus gegenüber der Wahrnehmung des Antisemitismus eine enorm große Rolle, da unsere Schülerschaft zu ungefähr 90% einen Migrationshintergrund aufweist und primär muslimisch geprägt ist. Gleichermaßen verhält es sich auch an den uns umliegenden Schulen und Jugendeinrichtungen [Die Nutzung der Begrifflichkeit „muslimisch geprägt“ meint hier zwar aufgrund der Zugehörigkeit, kann aber auch als "durch das Umfeld geprägt/sozialisiert" verstanden werden und schließt nichtmuslimische Jugendliche ganz klar mit ein]. Daraus ergibt sich folgende Problemlage:

  • Eine deutsche Erinnerungskultur und die Auseinandersetzung mit dem Holocaust stehen hierbei  ganz klar nicht an der Tagesordnung dieser Jugendlichen, sondern eher die Themen "Deutschsein" sowie "Identität und Heimat", die für Heranwachsende immer wieder ganz eindringliche Fragen hinsichtlich ihres Selbstkonzeptes aufwerfen.
  • Dabei gewinnt die Auseinandersetzung mit dem sogenannten „antimuslimischen Rassismus“ im Kontext von „Antisemitismus-Debatten" für diese Jugendlichen immer mehr an Bedeutung und kann anstelle von Solidarität und Bewusstwerdung von Verflechtungen, zu einer konkurrierenden Opferwahrnehmung führen.
  • Die deutsch-jüdische Geschichte wird in diesem Kontext naiv relativiert und durch eine Verknüpfung mit dem Israel-Palästina-Konflikt sowie einer offensiven Israelpolitik emotionalisiert

Durch diese und andere Faktoren hindert sich ein großer Teil der Jugendlichen in unserem Umfeld daran, die deutsche und eigene Geschichte, aktuelle politische Geschehnisse und religiöse- sowie ethnische Kontexte differenziert bewerten können. 


Eine Kampagne - Viele Projekte!

 

Die Konzeption von "Was geht mich eure Geschichte an?" zeichnet sich als eine Kampagne aus, da sie mit zahlreichen Teilprojekten und Veranstaltungsreihen eine aktive Präventionsarbeit leisten will, die ein Zusammenwirken vieler Menschen sowie gesellschaftlicher und politischer Akteure zu erreichen versucht.

Die Ziele dieser Kampagne sind: 

  • Antisemitismus in unserer Gesellschaft begegnen, indem man Begegnungen mit fremden und eigenen Narrativen ermöglicht.  Denn gehört zu werden und andere Sprechen zu lassen, sind der Schlüssel für den Abbau von Konflikten, die vor allem auf Vorurteilen, Verschwörungstheorien und Halbwissen beruhen. 
  • Die Gesellschaft für den Antisemitismus und im Umgang mit dem antimuslimischen Rassismus zu sensibilisieren, indem man die historische Singularität und die Bedeutung von Übergriffen und Anfeindungen verdeutlicht, ohne die Diskriminierungserfahrungen von muslimisch-geprägten* Heranwachsenden herabzusetzen oder zu negieren. 
  • Einem Verdruss hinsichtlich der "deutschen" Geschichte und des Holocaust entgegen zu wirken, indem man die Geschichte einfärbt und durch Biographien und persönliche Kontexte und vor allem Zeitzeugengespräche bereichert. 
  • Ansätze für eine gemeinsame "deutsche" Gedenkkultur etablieren, indem man den Lebensweltbezug von Heranwachsenden und deren Kontexte bzw. Narrative hinsichtlich Herkunft und Religion in die Gedenkarbeit einbezieht.

 

Umsetzung auf vielen Ebenen durch:

1. Verschiedene Projekte,

die im schulischen und vor allem außerschulischen Rahmen, durch kulturelle Angebote Brücken in die Gesellschaft bauen. Dies bedarf einer Beteiligung von Akteuren unterschiedlicher Altersgruppen (16-20) aus den Bereichen Schule, Freizeit sowie Studien- und Berufswelt, um ein aktive Präventionsarbeit in Hamburg leisten zu können.

 

2. Verschiedene Formate:

  • Gedenkveranstaltung/ Versammlungen mit performativen Elementen (Schauspiel, Bewegung, Gesang)
  • Ausstellungen/ Kunstinstallationen mit performativen Elementen
  • Filmerstellungen und -vorführungen
  • Inszenierung von Auszügen des Theaterstücks
  • Diskussionsformate
  • Schülerforen

3. Konkrete Kontexte, 

die den komplexen Zusammenhängen hinsichtlich all der Themen, die hierzu beachtet werden müssen gerecht werden. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass man die Auseinandersetzung mit Israel durch konkreten Austausch und die Einbeziehung durch Yad Vashem sowie israelische Jugendliche einbindet.

 

 

Durch diese Konzeption handelt es sich um die bisher einzige Kampagne, die sich grundlegend und somit nachhaltig den Problemen unserer ProjektteilnehmerInnen und deren Umfeld annehmen wird.

 

Das Defizit der meisten Projekte im Bereich der Gewalt- und Radikalisierungsprävention, Integration, Völkerverständigung oder Friedenspädagogik bleiben meist nur „re-aktive“ Maßnahmen und können nur bedingt als „pro-aktive“ Projekte Erfolg haben. Denn oftmals werden nur Schwerpunkte gesetzt und die Komplexität sowie Vielschichtigkeit bestimmter Phänomene nur bedingt berücksichtigt. Umso innovativer erscheint die vorliegende Kampagne, da sie diese Komplexität und sogar die Widersprüchlichkeit von gesellschaftlichen Diskrepanzen und Identitätsprozesse übergreifend aufnimmt, indem die Schule ihre Grenzen überwindet und gestaltend in die Gesellschaft tritt.


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